Armer Wurm


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Mit dem Velo fahre ich immer wieder an ihm vorbei, vor allem bei nassem Wetter: Am Regenwurm auf dem Weg. Ich musste an Jesus denken, wie er zur Welt kam. Wie wir alle zur Welt kamen. Diese nackte hilflose Kreatur auf dem Asphalt, die meinem Rad, meinem Fuss, der Sonne ausgeliefert ist und jedem Vogel, der sie erspäht. Sie ist, wie wir, ein geliebtes Geschöpf unseres Gottes.

Dank dem Wurm wird die Erde fruchtbar, gut belüftet und aufbereitet für die Pflanzen. Dank ihm bekommen Tiere zu essen aber auch wir: Den Würmern verdanken wir alle den guten Boden für die Pflanzenwelt – Nahrung und Sauerstoff sind unser Gewinn. Ohne den Wurm sähe die Welt anders aus! Und doch ist er an der Erdoberfläche so hilflos! Deshalb helfe ich ihm, sobald ich kann.

In der Bibel ist vom Wurm meist die Rede im Zusammenhang mit Zersetzung und Tod. Ja, er bereitet das Alte auf und macht daraus den Boden für das Neue: Frische Erde. Aber an einer Bibelstelle wird das Menschenkind mit dem Wurm verglichen (Hi 25,6) und darauf will ich in der Weihnachtszeit hinaus: Auch wir kennen eine Zeit, wo wir solche Nacktheit, Hilflosigkeit und Abhängigkeit erlebt haben, wie sie der Wurm auf der Strasse erlebt. Natürlich setzen wir alles daran, uns weiter zu entwickeln und dieses Stadium hinter uns zu lassen. Durch Krankheit, Unfall oder Alter kann es passieren, dass wir wieder in eine ähnliche Lage kommen, wie damals als Kind. Mit dem Unterschied, dass wir uns meist daran erinnern, was wir einst konnten.

Dieser Verzicht auf Autonomie ist alles andere als einfach und ängstigt viele Menschen. Da fühlen wir uns wie so ein armer Wurm. Aber spüren wir auch, dass das nicht alles ist, was uns ausmacht, wie damals, als Kind? Mindert es wirklich unseren Wert oder unsere Würde?

Hilflosigkeit, Nacktheit und das Ausgeliefert-Sein, kennzeichnen den Anfang und das Ende von Jesu Leben auf Erden. Das sind herausfordernde Gedanken, gerade für uns, die wir uns an Eigenleistungen messen und messen lassen. Wir haben unser Leben und uns im Griff, nicht wahr? Wenn nicht, was dann?

Als armer Wurm hat man in dieser Welt nichts verloren, oder? Doch: Wer sorgt für unsere Atemluft und unser Essen? Der, der die Erde fruchtbar macht: Der Wurm. Wer macht aus Totem Lebendiges? Der Wurm! Wer ist auf unsere Zeit, un¬sere Zuwendung und unser Erbarmen angewiesen, um seinen Nutzen für alles Leben zu entfalten? Der Wurm, den wir zurück zur Erde tragen.

Sehen Sie den Zusammenhang zu Jesus und seiner Botschaft? Auch er macht Totes lebendig, auch er bereitet das himmlische und das irdische Reich vor und macht es für uns fruchtbar. Auch er ist auf unser Mitwirken angewiesen, zu dem er uns aufruft, damit sich der Segen entfalten kann: Denn zum armen Wurm gehört der Mensch, der dem Wurm hilft.

An Weihnachten feiern wir, dass Gott als nacktes, hilfsbedürftiges Menschenkind zur Welt kam, wie wir alle. Sehen Sie, wie er die Erde verwandelt hat? Genau diese lebensspendende und verwandelnde Kraft steckt im armen Wurm! Helfen wir ihm?

Ihre Pfarrerin Tatjana Cárpino Satz

Dieser Artikel erschien für die Kirchgemeinde Thunstetten im "Chileblatt" Dezember 2019. Bild für den Blog: (C) T. Carpino
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